DKMS - Kampf gegen Blutkrebs
"Als Unternehmer und Geschäftsführer der RFT-Gruppe trage ich nicht nur eine große Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern. Persönliches Engagement zu zeigen, d. h. mit gutem Beispiel voranzugehen, finde ich, gehört ebenfalls dazu.
Ein wichtiges Herzensthema ist die Stammzellspende für mich geworden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies eine wunderbare Möglichkeit ist sich zu engagieren und das Leben von Blutkrebspatienten zu retten. Der Prozess ist denkbar einfach, der Aufwand gering.
Meine Spendengeschichte soll Ihnen erste Informationen bieten, mögliche Ängste mindern und Sie darin bestärken, sich gleichermaßen für den Kampf gegen Blutkrebs zu engagieren.
Es würde mich sehr freuen, bei Ihnen Interesse für das Thema wecken und Sie als Unterstützer für die DKMS gewinnen zu können."
Herzlichst,
Ihr Stefan Tiemann
Spendertagebuch von Stefan Tiemann
Dezember 2018
Die Motivation zur Registrierung als Stammzellspender geht auf meine Partnerin zurück. Sie ist bereits seit vielen Jahren bei der DKMS registriert. Im November 2018 fand in meiner Heimatstadt eine Registrierungsaktion statt. Ich hatte den Entschluss gefasst dort hinzugehen, doch leider war ich terminlich verhindert.
Wenige Tage später, im Dezember 2018, habe ich mich dann online auf www.dkms.de registriert und mir ein kostenloses Typisierungsset zusenden lassen. Die Box enthielt Wattestäbchen für den Wangenschleimabstrich, eine Einverständniserklärung sowie einen Umschlag, um das Set kostenlos an die DKMS zurückzusenden.
Im DKMS Life Science Lab in Dresden, eines der größten Typisierungslabore, werden die Wangenabstriche analysiert und die Gewebemerkmale (HLA-Merkmale) der Spender bestimmt. Die Stammzellspende verspricht eine sehr hohe Möglichkeit einen Patienten heilen zu können. Doch die Suche nach dem „genetischen Zwilling“ gestaltet sich schwierig. Ein Drittel der Patienten findet einen Stammzellspender in der eigenen Familie. Alle anderen sind auf einen fremden Spender angewiesen. Die HLA-Merkmale (Gewebemerkmale) dieses fremden Spenders müssen zu möglichst 100 Prozent mit denen des Patienten übereinstimmen. Das Problem: Es gibt über 23.000 HLA-Merkmale, die in Abermillionen unterschiedlichen Kombinationen auftreten können. Und genau das macht die Suche nach einem geeigneten Spender so schwierig. Den genetischen Zwilling zu finden, wäre normalerweise vergleichbar mit der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.
Im März 2019 wurde ich über meine finale Registrierung informiert und habe u. a. meine Spendernummer erhalten.
Oktober 2019
Rund ein halbes Jahr danach bekam ich einen Anruf aus Tübingen. Da ich gerade in einem Meeting saß, konnte ich ihn nicht annehmen. Später folgten eine SMS und eine E-Mail, in denen stand, dass ich in der engeren Auswahl für eine Stammzellenspende bin.
Als ich das las, überkamen mich Gefühle, die sich kaum beschreiben lassen: Ich wusste nun, dass es irgendwo jemanden gab, der mich brauchte bzw. meine Stammzellen benötigte, um gesund zu werden. In solch einer Situation geht einem Vieles durch den Kopf. Obwohl für mich von Anfang an klar war, dass ich selbstverständlich Spender sein möchte, wollte ich an diesem Abend, in Gesprächen mit meiner Familie, meine Gedanken sortieren.
Erst am nächsten Morgen habe ich mich bei der DKMS gemeldet und telefonisch erste Fragen zu meiner Gesundheit, u. a. zu medizinischen Eingriffen, Allergien, Unverträglichkeiten, usw. beantwortet. Für die finale Bestätigungstypisierung war eine Blutabnahme erforderlich, die ich unkompliziert bei meiner Hausärztin erledigen lassen konnte. Nach Einsendung der Blutprobe wurde diese labortechnisch untersucht.
Etwa zwei Wochen später, im November 2019, erhielt ich das Ergebnis: Entscheidende Gewebemerkmale stimmten mit denen des Empfängers überein und ich wurde als Spender für den erkrankten Patienten reserviert. Man bat mich von Fernreisen Abstand zu nehmen, für den Fall, dass sich der Gesundheitszustand des Empfängers verschlechtern würde und alles sehr schnell gehen müsse.
Dezember 2019 / Januar 2020
Einen Tag vor Heiligabend wurde es mit der Stammzellspende konkret, der Termin für die ärztliche Voruntersuchung und das Datum für den Spendertermin wurden festgelegt. Das Arztgespräch sowie ein umfassender Medizin-Check fanden Anfang Januar 2020 in der Stem Cell Facility der Charité statt, dort wo auch später die eigentliche Spende durchgeführt werden würde. Neben einer Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes (Sonographie) wurde auch ein Lungenfunktionstest sowie ein Ruhe-EKG (Elektrokardiografie) durchgeführt und ein großes Blutbild erstellt. Beim Verlassen des Klinikgeländes fühlte ich mich bestens informiert. Etwa eine Woche später nach dem Check-up erhielt ich die finale Spenderfreigabe.
Bei jedem Telefonat mit der DKMS wurde ich gefragt, ob ich weiterhin als Spender zur Verfügung stehe. Es ist jederzeit möglich sein Einverständnis zur Stammzellspende zurückzuziehen. Doch man sollte sich bewusst sein, dass etwa 14 Tage vor der Transplantation die Ärzte des Patienten mit der Vorbereitung (Chemotherapie) beginnen. Wenn er die benötigten Stammzellen nicht erhält, kann dies zu seinem Tod führen.
Anfangs hatte auch ich kleinere Ängste und ein stückweit auch Bedenken, hinsichtlich der Spende. Zweifel hingegen kamen bei mir nie auf. Dieses erste Gefühl „Ja, ich mach das“ aus dem Bauch heraus, hat mich den ganzen Prozess über begleitet. Und obwohl ich zu keinem Zeitpunkt wusste für wen ich Stammzellen spenden werde, wusste ich immer warum ich es tun wollte: Weil ich im engen Kreis derjenigen war, die durch eine Stammzelltransplantation einem Menschen möglicherweise helfen konnten, die Leukämie zu besiegen.
Mitte Januar 2020
In Vorbereitung auf die Spende bekam ich ein Medikament, das ich in den fünf Tagen vor dem Spendentermin täglich zweimal spritzen musste. Das Präparat sorgt für eine Mobilisierung der Stammzellen im Knochenmark, die dann ins Blut ausgeschwemmt und dort während der Spende herausgefiltert werden können. Ich entschied mich, mir das Medikament selbst zu spritzen. Aber es ist auch möglich dies einem Pflegedienst zu überlassen. Die Organisation und Kostenübernahme würden in diesem Fall von der DKMS übernommen werden.
Die Nebenwirkungen des Medikaments stellten sich bei mir bereits am ersten Tag ein: Ich bekam leichte erkältungsähnliche Symptome, war müde, fühlte mich schwach und hatte Gliederschmerzen. Aber all das ließ sich sehr gut ertragen. Zum Stillen stärkerer Schmerzen erhielt ich von der Klinik vorsorglich Schmerztabletten. Weil der Körper mehr Blut produziert, vergrößert sich die Milz und ist dadurch weniger im Brustkorb geschützt. Es besteht die Gefahr eines Milzrisses. Für den Alltag hieß es, vorerst körperliche Anstrengungen zu vermeiden bzw. zu reduzieren.
Ich musste mein Leben nicht umstellen, ich habe aber noch bewusster und achtsamer als vorher gelebt. Der geplanten Spende sollte meinerseits nichts entgegenstehen.
Ende Januar 2020
Ende Januar 2020 betrat ich morgens, um 7 Uhr, die Klinik in Berlin. Mir wurden ein paar Gesundheitsfragen gestellt und persönliche Eckdaten abgefragt. Danach wurde ich in das Spendenzimmer gebracht, das ich mir mit einem weiteren Stammzellspender teilte. Das Schwesternteam hat mit seiner charmant, lockeren Art des Umgangs viel dazu beigetragen, dass ich mich dort vom ersten bis zum letzten Augenblick sehr wohl gefühlt habe.
Bei meiner Spende handelte es sich um eine periphere Stammzellspende.
Periphere Stammzellspende:
In 80 Prozent der Fälle werden die Stammzellen dem Venenblut der Spender entnommen, die Spende wird ambulant durchgeführt. Ähnlich wie bei der Blutplasmaspende erfolgt die Filtrierung des Blutes über einen Apherese-Apparat und dauert zwischen vier bis sechs Stunden.
Punktion des Beckenkamms:
Weitaus seltener wird Spendern zur Gewinnung der Stammzellen ein Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm entnommen. Für diesen Eingriff ist der stationäre Aufenthalt für ca. 48 Stunden in einer Klinik erforderlich, die Entnahme unter Vollnarkose dauert nur eine Stunde.
Für die Stammzellspende wurden mir Zugänge an beiden Armen gelegt. Auf der linken Seite, dem Entnahmezugang, wurde das Blut aus dem Körper heraus und in den Apherese-Apparat hineingeleitet. Dort werden mittels einer Zentrifuge die Stammzellen herausgefiltert. Über den rechten Arm wurde das gefilterte Blut zurück in meinen Körper geführt.
Die periphere Stammzellspende dauert zwischen 4-5 Stunden. Konnte die benötigte Menge an Stammzellen, die abhängig von der Größe und dem Gewicht des Empfängers ist, in dieser Zeit nicht herausgefiltert werden, wird die Prozedur am nächsten Tag wiederholt.
Angeschlossen an den Zellseparator verging die Zeit für mich nur sehr, sehr langsam. Ich hatte mir vorher keine Gedanken gemacht, was es heißt, mehrere Stunden in gleicher Position in einem Bett liegen zu müssen. Es ging mir gut, aber es kam langsam Langeweile auf. Bewegte ich einen Arm, ertönte ein lautes Piepsen und die Schwester musste wieder meine Kanüle richten. Sie nahm es glücklicherweise mit viel Humor.
Nach ca. vier Stunden wurde ich vom Apherese-Apparat abgekoppelt. Da war mein Blut insgesamt dreimal im Ganzen zirkuliert. Wie anstrengend das für den Körper war, merkte ich erst, als ich aufstand: Ich war ziemlich erschöpft, gleichzeitig aber auch ein wenig stolz.
Nach zwei Stunden erfährt der Spender, ob genügend Stammzellen gesammelt worden sind. Diese Zeit verbrachte ich in der Cafeteria auf dem Klinikgelände. Als ich die Nachricht erhielt, dass ein weiterer Spendentag nicht nötig sei, fiel mir ein Stein vom Herzen.
Meine Stammzellen wurden in Kühltaschen verpackt und auf die Reise geschickt. Innerhalb von 72 Stunden müssen diese den Bestimmungsort erreichen. Dem Patienten, d. h. meinem „genetischen Zwilling“ wurden sie als Transfusion zugeführt. Sind die Stammzellen im Blut finden sie den Weg in das Knochenmark von allein und wachsen dort in der Regel auch schnell an.
Nach einer Spende ist man zwei Jahre lang als Spender für den Empfänger reserviert. Am Spendentag, aber auch in den Tagen danach, habe ich öfter an den Blutkrebspatienten gedacht. Ich hoffte, dass für den Patienten alles gut gegangen ist, er gesund wird und eine weitere Spende nicht notwendig sei.
Am Folgetag der Spende habe ich meine Ansprechpartnerin bei der DKMS kontaktiert. Ich signalisierte ihr, dass ich mich freuen würde mehr über den Patienten zu erfahren. Die Kontaktaufnahme zwischen Spender und Empfänger ist von Land zu Land unterschiedlich geregelt. Wenn beide Seiten zustimmen, ist eine persönliche Kontaktaufnahme, nach einer festgelegten Wartezeit, oftmals möglich.
In meinem Fall ist das anders. Ich habe erfahren, dass die Empfängerin meiner Stammzellen in Spanien lebt und über 30 Jahre alt ist. Die aktuelle spanische Rechtsprechung schließt einen persönlichen Kontakt gänzlich aus. Möglich ist ein einmaliger Briefwechsel, moderiert durch die DKMS. Der Brief muss anonym verfasst sein, d. h. es dürfen keine Informationen enthalten sein, die Rückschlüsse auf den Spender bzw. Empfänger zulassen. Diese Vorgehensweise soll die Persönlichkeitsrechte schützen.
Es ist ein wenig schade, dass wir uns niemals kennenlernen können. Doch für mich ging es bei der Spende nicht darum jemanden kennenzulernen, sondern einem Menschen zu helfen. Diese Erfahrung hat mein Leben enorm bereichert.
Ich habe entschieden mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Entscheidung aus der Anonymität der vielen Spender herauszutreten, traf ich als Unternehmer und Familienvater. In beiden Lebensbereichen bemühe ich mich stets mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Stammzellspende ist eine so einfache Möglichkeit etwas Gutes zu tun und einem anderen Menschen Lebenszeit zu schenken bzw. im besten Falle sogar das Leben eines Blutkrebspatienten zu retten.
Es geht für mich darum, Aufmerksamkeit auf ein sehr wichtiges Thema zu lenken und aktiv für die Stammzellspende, wie auch die Arbeit der DKMS zu werben - bei uns in der Unternehmensgruppe, im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis sowie in der Presse und Öffentlichkeit.
Aus diesem Grund hat mich Simone Henrich, Chefreporterin der DKMS, in der Stem Cell Facility der Charité getroffen und mit mir über meine Beweggründe für die Spende gesprochen.
Dezember 2020
Kurz vor dem Ende des turbulenten Corona-Jahres erhalte ich einen Brief der DKMS: „Sehr geehrter Herr Tiemann, heute haben wir wieder Informationen über den Gesundheitszustand Ihrer Patientin erhalten. Es freut uns, Ihnen mitteilen zu können, dass sich an dem positiven medizinischen Verlauf nichts geändert hat. Es geht Ihrer Patientin im Moment weiterhin recht gut.“ […] Ich habe seit der Spende im Januar oft an die Empfängerin gedacht und mich gefragt, wie es ihr wohl gehen mag. Die Gewissheit, dass die Transfusion der Stammzellen geglückt und sich der Gesundheitszustand der Empfängerin gebessert hat, löst in mir Erleichterung und zugleich eine unglaubliche Freude aus. Obwohl wir uns nicht kennen, fühle ich sehr mit der Patientin und drücke fest beide Daumen, dass sie den Blutkrebs bald endgültig besiegen kann. Vielleicht schon im neuen Jahr? Das würde mich riesig für sie freuen.
Sie möchten mehr über die Erfahrung wissen? Dann klicken Sie hier und hören Sie in den Podcast rein: Zur Expertenstunde
Weiteres Engagement gegen Leukämie
Im Vorfeld meiner Stammzellspende habe ich nur wenig über die Arbeit der DKMS gewusst. Nachdem ich den gesamten Prozess einer Spende von A-Z durchlaufen habe, bin ich vom hochprofessionellen Engagement seitens der DKMS begeistert.
Daher werde ich mich auch weiterhin für die Ziele der DKMS einsetzen, d.h. persönliches Engagement im Kampf gegen Blutkrebs zeigen. Ich möchte möglichst viele Menschen ermutigen sich registrieren zu lassen, denn je mehr Menschen registriert sind, desto größer ist die Chance „genetische Zwillinge“ zusammenzuführen.
Für mich ebenso wichtig ist es, auf vermeintliche Ängste potentieller Spender einzugehen und offene Fragen zu beantworten. Trotz umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit der DKMS hält sich beispielsweise das falsche Gerücht, es werde Rückenmark statt Knochenmark gespendet, hartnäckig. Als Spender kann ich, z. B. im Rahmen von Registrierungsaktionen, von meinen eigenen Erfahrungen berichten und eventuell helfen, Hemmschwellen hinsichtlich einer Registrierung abzubauen.
Zudem werde ich registriert bleiben und als potentieller Spender weiterhin zur Verfügung stehen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit auf einen weiteren „genetischen Zwilling“ zu treffen äußerst gering ist.